29. Februar 2016
Und nun?
Wie machen wir jetzt weiter? Nach diesem Sonntag? Simonetta Sommaruga formuliert es treffend: «Nicht zum ersten Mal wirkt unser Land gespalten, ziehen sich Gräben durch die Schweiz.» Die mit den Hakenkreuz-Plakaten mögen genau so recht haben wie die am Stammtisch mit ihren Parolen. Sie glauben es zumindest, das dafür ganz fest. Aber weil sich beide Gruppen in etwa neutralisieren, wird auf absehbare Zeit keine „gewinnen“. Die stärkste Partei wird nicht klein beigeben. Und die vielfältige Front gegen sie wird jedes Mal umso energischer auftreten.
Modernisten und Nationalkonservative verbeissen sich ineinander. Und blockieren damit die erfolgreiche, in vielen Jahrzehnten destillierte Konsensdemokratie. Und mit ihr die Essenz der Willensnation Schweiz. Wir brauchen keine Extremlösungen und auch keine Hysterie. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als einen Weg zu finden miteinander. Mit beidseitigem Verständnis und Respekt vor abweichenden Meinungen. Nur so können wir den Erfolgsfaktor der Schweiz erhalten: Lösungsorientierten, überparteilichen Konsens. Für Stabilität und Wohlstand ist das von absolut entscheidender Bedeutung.
Manchmal braucht es den Input von jungen Menschen, um die wirklich wichtigen Dinge wieder zu erkennen. Bei einem Podium im Gaskessel Bern vor der DSI hat Joy Schenk spontan ein Gedicht vorgetragen:
Schwiz lueg härä
Lug was passiert
Hie wird nume no debattiert
D SVP gägä Räscht vor Schwiz
[...]
Mir müesse zäme chönne rede
Dr Egoismus vrgässe
Zum ändlech Wichtigs bespräche
Um jede Pris!
Helvezin hat sich vor der DSI positioniert. Die Vorlage schien uns – auch im Hinblick auf unsere eigene Geschichte mit dem Gründungsmotiv am 09.02.2014 – zu wichtig, um über der Sache zu stehen. Wir haben uns öffentlich für ein Nein ausgesprochen. Unsere Rolle ist aber eine andere: Wir bauen die Brücken, von denen jetzt gesprochen wird. Und so wünschen wir uns von den Gewinnern Demut. Am 09.02.2014 haben die Unterlegenen die Respektierung ihrer Anliegen angemahnt. Es liegt jetzt an den Gewinnern vom 28.02.2016, als gutes Beispiel voranzugehen. Vier von zehn Stimmen haben die DSI angenommen, das ist eine hohe Zahl. Den Sorgen, Ängsten und Argumenten dieser Menschen müssen wir uns annehmen. Bundesrätin Simonetta Sommaruga zeigt sich beeindruckt von der ausserparlamentarischen Dynamik. Sie mahnt hingegen mit Bestimmtheit an: «Setzt euer Engagement fort. Und baut Brücken zu jenen, die heute Ja gesagt haben.»
Da möchten wir bei Helvezin ansetzen. Wir erhoffen uns, dass das grossartige Mitwirken so vieler Menschen an politischen Fragen von Dauer ist. Wir rufen die Medien, die Politik und die Wirtschaft auf, dieser Verantwortung gerecht zu werden. Bürgersinn ist der zentrale Begriff für ein funktionierendes Miteinander in unserem kleinen und vielfältigen Land. Wir alle müssen lernen, die Gräben zu überwinden. Die Worte von Lukas Hartmann aus dem Januar 2007 sind aktueller denn je: «Vielleicht wünschen wir uns hier und dort sogar das Gleiche und haben es bloss noch nicht gemerkt.»
Beni Lehmann, Herausgeber HELVEZIN